Sonntag, 14. Dezember 2014
Mehr als nur Stress auf der Arbeit …
hatte ein männlicher Patient, dessen Situation sein Psychiater beschrieb.
„Herr Bauer war ein stattlicher Mann. Er war flott gekleidet, hatte eine feste Stimme und ein sicheres Auftreten. Der traurige Gesichtsausdruck, mit dem er mein Sprechzimmer betrat, passte gar nicht dazu. “Mir geht es schlecht, so schlecht wie nie in meinem Leben. Dabei habe ich alles, was ich will, einen guten Job, eine Frau und zwei Kinder. Ich bin glücklich verheiratet.” Er sank in sich zusammen, blickte mich mit gramvollem Gesicht an und erzählte weiter von seinen Beschwerden. […] Ich verstand nun etwas besser, warum Herr Bauer depressiv geworden war. Bei seiner Firmenleitung fühlte er sich nicht anerkannt. Er brauchte auch jemanden, der ihm den Rücken stärkte. Das war seine Frau gewesen. Jetzt, da er fürchtete, dass sie ihr Herz einem anderen geschenkt hatte, zweifelte er am Sinn seines Tuns. Hinzu kam, dass auch die Kinder zwar noch viel Zeit beanspruchten, aber sie waren in dem Alter, in dem sie Distanz zu den Eltern suchen. Beim ersten Treffen hatte mir Herr Bauer erzählt, dass sein Hausarzt von einem Burnout gesprochen hatte. In einer der folgenden Sitzungen kam er darauf zurück. “Ich habe alles und mehr über Burnout gelesen. Da streiten sich die Gelehrten, ob das überhaupt eine Krankheit ist oder nicht. Das ist mir doch egal. Ich will, dass es mir wieder besser geht.”“^10
Der Fall, der hier von einem Psychiater beschrieben wird, bezieht sich auf einen Mann mittleren Alters, der in dem Bericht Herr Bauer genannt wird. Dieses Beispiel dient zum nahelegen des Umstands, dass nicht nur ein stressiger Job zu einem Burnout führen kann. Bei dem Mann in diesem Beispiel war es eine Mischung aus einer Arbeitsstelle, bei der er sich nicht ernstgenommen fühlte, einer möglicherweise scheiternden Ehe und dem Gefühl, dass sich das gute Verhältnis zu seinen Kindern ändern könnte. Durch all diese Aspekte begann der Patient an sich und seinem Leben zu zweifeln. Es muss also nicht immer das Gefühl sein alles perfekt meistern zu müssen, was einen krank macht. Herr Bauer schien kein Perfektionist zu sein, sondern eher jemand, dessen Alltag ihn nicht mehr zufrieden sondern unglücklich machte. Besonders interessant war an diesem Fall, dass es Herr Bauer selbst ganz egal war ob Burnout nun eine Krankheit ist oder nicht. Er selbst sagte, er wolle sich einfach besser fühlen. Für Krankenkassen und Ärzte wird es wohl immer eine Rolle spielen was genau Burnout nun eigentlich ist. Aber dieser Patient zeigt, dass es letztendlich vor allem darum gehen sollte, den Betroffenen zu helfen ihr Leben wieder alleine meistern zu können. Dazu erscheint die Unterscheidung zwischen einer Krankheit oder ob es überhaupt keine ist ziemlich unwichtig für die Leidenden und deren Angehörige.


10. Christian Angele: „Erfahrungsbericht eines Burnout Therapeuten“, Online im WWW unter URL: http://www.hilfe-bei-burnout.de/austausch/erfahrungsberichte/ [14.12.2014].



Schilderung einer „Erkrankten“
„Burnout nannte mein Hausarzt das, weil es ein schöner Begriff war für etwas, dass die heutige Welt nicht gut zuordnen kann. Da stand ich nun an einer Kreuzung und merkte wie mein Körper nicht mehr aufhörte zu schreien. Mir tat vieles weh, mein Tinnitus nervte mich schon jahrelang und auch der Bewegungsapparat lief überhaupt nicht mehr rund. Welchen Weg soll ich nun einschlagen? Ich entschied mich für den Weg mit dem Namen: „ICH“. […] Mein Kopf war leer. Ich funktionierte nur noch. Ich fühlte mich wie eine leere Hülle die in einem funktionierenden System assimiliert war. […] Ganz bestimmt hat mir am meisten geholfen, dass ich mich sehr gut betreut und verstanden gefühlt habe. Ich wurde ernst genommen und nicht als Person mit zu hohen Ansprüchen und verrückten Ideen abgestempelt.“^9
An dem Beispiel dieser 39 Jahre alten Patientin lässt sich feststellen, wie es Burnout-Patienten ergehen muss. Sie beschreibt eine innere Leere und das Gefühl körperlich und geistig nichts mehr machen zu können und dennoch funktionieren zu müssen. So wie ihr geht es den meisten Patienten, die ihre Probleme beschreiben. Hinzukommend hatte die Patientin ein Tinnitus-Leiden und körperliche Schmerzen. Das Burnout-Syndrom hatte also auch körperlich spürbare Folgen für sie. Jedoch meint die Patientin, der Hausarzt habe den Begriff des Burnouts für ihr Leiden gewählt, weil sie etwas hätte, was in unserer Welt nicht zuzuordnen ist. Es erweckt den Anschein, die Betroffene selbst würde entweder Burnout nicht als Krankheit sehen oder aber kritisieren, dass es nicht als eine solche anerkannt wird. Zum Ende des Berichts erklärt sie, die größte Hilfe wäre das Gefühl gewesen, dass Menschen sie ernst nehmen und verstehen. Sie wurde in der Therapie nicht einfach abgetan als jemand, der zu viel von sich erwartet. Dies wiederum verdeutlicht, dass Burnout in der Gesellschaft häufig nicht als eine „echte“ Krankheit anerkannt wird. Womöglich nimmt man es im Alltag noch weniger als eine Krankheit war, weil es einfacher ist sich mit einer Person zu identifizieren, die zum Beispiel aus dem Kollegenkreis stammt. Betrachtet man hingegen die Krankheitsgeschichte Sven Hannawalds, haben die meisten Personen einen größeren Abstand zu diesem. Vielleicht geht man bei der Beurteilung eines von Burnout betroffenen Prominenten mit einer größeren Distanz an den Fall und tendiert eher dazu zu sagen, man wisse doch nicht wie sich der- oder diejenige fühle.
Sagt man etwa bei Freunden und Kollegen, denen es psychisch schlecht geht schneller: „Stell dich nicht so an, mir geht es doch ebenso…“?


9. O.A.: „Erfahrungsbericht einer 39-jährigen Patientin“, Online im WWW unter URL: http://www.dr-mueck.de/HM_Erfahrungsberichte/Angst-Depression-Burnout-Erfahrungsbericht.htm [14.12.2014].